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Was geht uns denn Ramstein an?

Verwaltungsgericht Neustadt verhandelt über Verweigerungshaltung rheinland- pfälzischer Behörden im Umgang mit Petitionen zur Rolle Ramsteins im US- Drohnenkrieg

Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße verhandelt am Montag, 23.11.2020, 09:00 Uhr (Robert-Stolz-Straße 20, 67433 Neustadt an der Weinstraße, Sitzungssaal C 07), über mehrere Klagen eines Friedensaktivisten.

Der Friedensaktivist Hermann Theisen (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen) aus dem baden-württembergischen Hirschberg hatte im Mai d.J. Petitionen gestartet, um an die für den rheinland-pfälzischen Militärstandort Ramstein verantwortlichen Kommunalparlamente zu appellieren, sich für ein Ende der Nutzung der auf der Air Base Ramstein stationierten Relaisstation im US-Drohnenkrieg einzusetzen. In den Petitionen forderte er die Kommunalparlamente auf: „Setzen Sie sich im Rahmen Ihrer kommunalpolitischen Einflussmöglichkeiten dafür ein, dass es zu keinen völker- und menschenrechtswidrigen Handlungen der US-Army unter Nutzung der Militärliegenschaft Ramstein kommt!“

Bereits seit vielen Jahren wird eine zivilgesellschaftliche Debatte über die Rolle Ramsteins im US- Drohnenkrieg geführt, die ganz wesentlich durch die Enthüllungen des Whistleblowers Brandon Bryant beeinflusst worden ist. Bryant hatte 2012 in Interviews gegenüber Journalisten auf Grundlage seiner eigenen dienstlichen Erfahrungen als US-Drohnenpilot öffentlich kritisiert, dass die von den USA mit dem Ziel der Tötung von als Terroristen verdächtigen Personen geführten Drohnenangriffe in Afghanistan, Somalia und Jemen als „präzise und sauber“ dargestellt werden. In Wahrheit forderten sie hingegen unzählige unschuldige Opfer unter der Zivilbevölkerung, so Bryant. Im darauffolgenden Jahr enthüllte er gegenüber recherchierenden Journalisten anhand seiner Kenntnisse des geheimen US-Drohnen-Programms die konstitutive Rolle der technischen Einrichtungen und des „Air and Space Operation Command (AOC)“ in der Air Base Ramstein für die weltweiten Verbindungswege und für die Steuerung der Drohnen und Auswertung ihrer Daten. Bryant deckte damit auf, dass sämtliche Drohneneinsätze über die US-Militärbasis Ramstein abgewickelt werden und der dortigen Relaisstation somit eine Schlüsselrolle bei der Weitergabe der Steuerungsdaten bei extralegalen Tötungen durch US-Drohnen zukommt. 2014 berichtete er davon auch im NSA-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages.

Diese von deutschem Staatsgebiet aus mitgesteuerten und mitverantworteten extralegalen Tötungen durch US-Drohnen verstoßen fundamental gegen die Grundprinzipien unseres demokratischen Rechtsstaates, wonach Hinrichtungen von Menschen absolut verboten sind. Auf diesem Hintergrund forderte der Friedensaktivist die für die Air Base Ramstein zuständigen Kommunalparlamente (Stadt- und Verbandsgemeinderat Ramstein-Miesenbach und Kreistag Kaiserslautern) mit seiner Petition dazu auf, eine Haltung zu diesen Vorgängen einzunehmen, da sie auf einer militärischen Liegenschaft stattfinden, für die sie eine kommunalpolitische Mit- Verantwortung haben. Das Ziel der Petition sollte im Ergebnis ein kommunalpolitischer Appell an die für die Air Base Ramstein verantwortlichen Militärs sein, dafür Sorge zu tragen, dass sich sämtliche militärischen Vorgänge auf der Militärliegenschaft Ramstein ausschließlich an den Grundsätzen unseres Rechtsstaatsprinzips orientieren.

Die für die Kommunalparlamente zuständigen Behörden haben die Annahme der Petition jedoch kategorisch verweigert: Die Stadt- und Verbandsgemeinde Ramstein-Miesenbach beauftragten einen Rechtsanwalt mit der Vertretung ihrer Interessen, da sie für die Petition nicht zuständig seien

und die Kreisverwaltung Kaiserslautern vertrat die Auffassung, dass die Zuständigkeit für die Petition nur dann gegeben sei, „wenn es sich um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt.“ Das sei hier nicht der Fall, weshalb die Annahme der Petition verweigert worden ist. Theisen sieht sich durch das petitionsverweigernde Verhalten der Behörden in seinem Grundrecht aus Art. 17 GG (Petitionsrecht) verletzt, weshalb er Klage vor dem Verwaltungsgericht Neustadt/ Wstr. erhoben hat.

Der Friedensaktivist hatte die Petition erhoben, nachdem er in einem vergleichbaren Fall vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Mai d.J. wegen einer Heckler & Koch-kritischen Petition Recht bekommen hat. Im schriftlichen Urteil heißt es unmissverständlich: „Nach Art. 17 GG hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Es steht jedermann frei, sich durch eine Petition für die Förderung welchen Anliegens auch immer einzusetzen. Das Petitionsgrundrecht vermittelt dem Petenten einen Anspruch darauf, dass die angegangene Stelle seine Petition entgegennimmt, deren Inhalt zur Kenntnis nimmt, sie im Rahmen ihrer Zuständigkeiten prüft und sich nachvollziehbar und diskriminierungsfrei mit dem Anliegen befasst.“ (BVerwG 8 C 12.19).

Für den Friedensaktivisten ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für Behörden und Parlamente bindend: „Die petitionsverweigernde Haltung der beklagten Behörden im Umgang mit einer Petition zur Rolle der Air Base Ramstein im US-Drohnenkrieg offenbart, dass die beklagten Behörden den rechtlich bindenden Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts nicht nachgekommen sind. Damit haben sie gegen das verfassungsrechtlich verankerte Petitionsrecht verstoßen, was aus friedenspolitischen Gründen völlig inakzeptabel ist, denn Ramstein geht uns alle an!“, so Theisen.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig wird am 25.11.2020 über ein Berufungsurteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen verhandeln, durch das die beklagte Bundesrepublik Deutschland verurteilt worden ist, sich durch geeignete Maßnahmen zu vergewissern, dass eine Nutzung der Air Base Ramstein durch die USA für Einsätze bewaffneter Drohnen im Jemen nur im Einklang mit dem Völkerrecht stattfindet, sowie erforderlichenfalls auf dessen Einhaltung gegenüber den USA hinzuwirken. Nach Ansicht des Oberverwaltungsgerichts haben die Kläger, bei denen es sich um jemenitische Staatsangehörige handelt, einen aus ihren Grundrechten folgenden Anspruch darauf, dass die Beklagte sie vor drohenden Beeinträchtigungen ihres Lebens und ihrer körperlichen Unversehrtheit durch die Drohneneinsätze schützt. Dieser Schutzpflicht sei die Beklagte aufgrund der unzutreffenden Einschätzung, die Vereinbarkeit der Einsätze mit dem Völkerrecht unterliege keinen Zweifeln, bislang nur unzureichend nachgekommen“ (BVerwG 6 C 7.19).

Pressemitteilung des BVerwG: https://www.bverwg.de/pm/2020/56

Für den Friedensaktivisten ist diese Verpflichtung grundsätzlich auch auf kommunale Behörden im Rahmen ihrer ordnungs- und polizeirechtlichen Kontrollfunktion übertragbar: „Bei extralegalen Tötungen handelt es sich um derart inakzeptable Vorgänge, bei denen sich niemand aus seiner Mit-Verantwortung stehlen kann und darf, rütteln sie doch an den Grundfesten unseres demokratischen Rechtsstaates und den humanitären Grundprinzipien unserer Zivilisation“, so Theisen.

Hirschberg/Neustadt an der Weinstraße, 15.11.2020